Domov Verzia pre tlač Mapa stránky
OBLASTI PÔSOBNOSTI
KALENDÁR AKCIÍ
Predchadzajúce Nasledujúce
Apríl 2024
1234567
891011121314
15161718192021
22232425262728
2930     
KONTAKT
Úrad vlády SR
Námestie slobody 1
813 70 Bratislava


Tel.: +421 2 572 95 318 , 322
Fax: +421 2 524 91 647
E-mail: vicepremier@vlada.gov.sk

Kontakt pre médiá:
+421 2 57295 241
Mobil: +421 907 819 484

Nemecká verzia príhovoru vicepremiéra SR Rudolfa Chmela na 32. Spolkovom stretnutí karpatských Nemcov v Karlsruhe-Durlachu

07.05.2011

Sehr geehrter Herr Bundesvorsitzender,
verehrte Damen und Herren,
liebe Landsleute,
 
     es freut mich sehr, dass ich Ihr zweiunddreißigstes Bundestreffen der Karpatendeutschen im Namen der Regierung der Slowakischen Republik begrüßen darf. Ganz besonders freut es mich, dass ich dies auch anlässlich des kürzlichen zwanzigsten Jubiläums der Verabschiedung der Erklärung des Slowakischen Nationalrates gegenüber den Karpatendeutschen tun kann.
Das slowakische Parlament hielt es damals, am Anfang der demokratischen Entwicklung der slowakischen Gesellschaft, für wichtig, zu dem Teil unserer gemeinsamen Vergangenheit zurückzukehren, der nicht immer nur optimistisch, heroisch oder ruhmreich war.
Auch deshalb war und ist eine kritische, aber auch selbstkritische Reflexion der Geschichte - intellektuelle sowie politische - von großer Bedeutung.
Auch deshalb wurde in der erwähnten Erklärung das Prinzip der kollektiven Schuld, dieses Phantom aller Wenden und Änderungen, das so sehr ethnischen Säuberungen ähnelt, eindeutig verurteilt.
     Die ethnischen Säuberungen wurden nicht mit dem Zweiten Weltkrieg beendet, und leider auch nicht nach dem Zerfall von ehemaligem Jugoslawien.
Nach solchen ethnischen Säuberungen kann es zwar nach einer bestimmten Zeit zur Ernüchterung kommen, ja in manchen Ausnahmefällen sogar zur Versöhnung und vor allem auf der intellektuellen Ebene zur Verarbeitung der Geschichte, die Opfer jedoch, die auf diesem schmerzvollen Wege verbleiben, die Opfer der physischen sowie mentalen Gewalt, sind unzählig. Geschweige denn die langfristige Deformierung des gesellschaftlichen Bewusstseins, die man nur sehr schwer wieder heilen kann.
 
Auch solche Treffen, wie Ihr heutiges, könnten jedoch ein Steinchen im Mosaik der Therapie von Krankheiten, deren Ursprung in der Vergangenheit liegen, bilden.
 
Es ist erfreulich, dass die slowakische Geste der Versöhnung von vor zwanzig Jahren auf beiden Seiten ein positives Echo gefunden hat.
 
Es ist nicht ganz unbedeutend, dass wir, Slowaken, es nur noch gegenüber den Juden geschafft haben, eine solche politische Geste der Versöhnung und des Bedauerns an diese zu richten.
Eine ähnliche Geste, die eine vergleichbare qualitative Änderung in der slowakisch-ungarischen Beziehung bedeuten würde, fehlt leider auf beiden Seiten der Donau immer noch.
Es handelt sich natürlich weder um identische Probleme, noch um identische Vergangenheit, wie es im Fall der Karpaten- respektive Sudetendeutschen war, aber es ließen sich durchaus Parallelen und Inspirationen finden, die sowohl die Slowaken als auch die Ungarn zu einer besseren Therapie der gegenseitigen Beziehungen motivieren könnten. Und auch zur Therapie des Nationalismus, der sich in Mitteleuropa auf bewährtem altem Grund wieder verbreitet: Auf der Abneigung gegenüber den Nachbarn und auf der diametral entgegengesetzter Sicht auf die gemeinsame Geschichte. Auf einem solchen Grund lässt sich selbstverständlich keine Versöhnung aufbauen.
 
Eine der Ursachen der unterschiedlichen Interpretationen der Geschichte, nicht nur der slowakisch-deutschen, sondern zum Beispiel auch der tschechisch-deutschen, polnisch-deutschen, slowakisch-ungarischen, polnisch-russischen etc. ist oft auch die Tatsache, dass insbesondere die Zeitzeugen die Vergangenheit anders erlebt haben, dass sie unterschiedliche Erinnerungen daran haben. Dass auch wir, ihre Kinder und Enkel, die Erinnerungen und Traumata unserer Väter und Großväter nicht gleicherweise erleben.
Es handelt sich oft um entgegengesetzte Parallelgeschichten, aber nicht um Geschichten, die sich treffen würden. Und dabei würde es vielleicht genügen, sich diese traumatischen Geschichten gegenseitig zu erzählen: Das heißt, die slowakischen Geschichten aus der Historie der slowakisch-deutschen Beziehungen durch deutschen Mund erzählen zu lassen und umgekehrt, die traumatischen deutschen Geschichten aus der Historie der deutsch-slowakischen Beziehungen versuchen, durch slowakischen Mund zu erzählen.
 
Die Geschichte lässt sich nicht umkehren, aber auch nicht in Frage stellen. Die Schicksale unserer Väter oder Großväter sind unwiederholbar, ihre Beurteilung und Bewertung ist wahrscheinlich eher individuell, weil sie von konkreten Menschen gelebt wurden, auch von konkreten Opfern.
In diesem Zusammenhang wurde und wird auch heute oft das „Recht auf Heimat“, das „Recht auf ein Zuhause“ dekliniert. Aber was heißt das heute, im vereinten Europa?
Soll das etwa die Institution der doppelten Staatsbürgerschaft sein, mit der wir uns dank der Regierung Viktor Orbáns in Mitteleuropa und auf dem Balkan herumplagen müssen?
Ist diese sentimental-historisierende Institution heutzutage bei der Erfüllung der zweiten Heimatliebe oder der zweiten Heimat wirklich notwendig?
 
Brauchen wir überhaupt in vereintem Europa zwei, oder sogar drei oder vier Heimatländer, obwohl wir durchaus zwei oder gar drei Identitäten haben können?
Genügt uns nicht unsere eigene, oder die universelle - das hei0ßt die europäische?
Benötigen wir auch die vergangene, brauchen wir das irrationale und sentimentale, also rational nur schwer greifbare „Recht auf die Heimat“?
 
Ich weiß nicht, vielleicht ist diese Sache dermaßen individuell, besonders jedoch intim, dass sie sich jeglicher bürokratischen Regelung widersetzt und entzieht.
 
In dieser Gesellschaft muss ich nicht erklären, dass die Deutschen, spätestens seit Bismarck, für ihren Gipfel den Nationalstaat hielten. Slowakische Politiker und Intellektuellen, zwar ein bisschen später, dachten nicht anders.
Der Glaube an die Nation, also an den Nationalstaat ist für viele immer noch Gipfel des individuellen sowie kollektiven Seins. Aber Nationalstaat als der Gipfel der Einheit der Nation kann auch den Untergang dessen bedeuten, was uns die Geschichte hinterließ - den Untergang der nationalen Mannigfaltigkeit, der Multiethnizität.
An dieser Stelle muss ich nicht hervorheben, dass die Absolutierung des Nationalstaates zum Beispiel in bestimmten Zeiten zum Untergang der nationalen - beispielsweise der deutschen - Minderheiten geführt hatte - wie es nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei, in Polen, Ungarn und anderswo geschehen ist.
 
Wenn ich heute hier als offizieller Repräsentant der Slowakischen Republik spreche, kann ich behaupten, dass die deutsche Minderheit trotz aller, oft tragischer Peripetien des zwanzigsten Jahrhunderts, in der Slowakei lebt und sich revitalisiert. Sie gehört zu den historischen, also autochthonen, obwohl zahlenmäßig kleineren Minderheiten und wir sind von der Ebene des Staates an ihrer weiteren Entwicklung sehr interessiert.
Auch im Bereich der Bildung, der Kultivierung der eigenen Identität als Minderheit. Neben mehreren bilingualen slowakisch-deutschen Schulen bemühen wir uns in Zusammenarbeit mit der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bratislava um die Errichtung eines deutschen Gymnasiums, das die Bedürfnisse der deutschen Minderheit befriedigen würde, die gerade auf dem Gebiet der Sprache einen bestimmten Defizit verzeichnet, wie ich es kürzlich bei einem Besuch des Hauerlandes vernommen habe.
 
Nicht weniger interessant ist in diesem Zusammenhang die relativ baldige Möglichkeit der Errichtung einer privaten deutschen Goethe-Universität in Bratislava. Bratislava, unsere Hauptstadt, ist durch ihre historische Multiethnizität und Multikulturalität für eine solche Universität sicherlich prädestiniert. In der Grenzstadt Komárno existiert seit dem Jahr 2003 die ungarische Hans-Selye-Universität. Die künftige deutsche Universität wäre bestimmt ein geeigneter Komplement dieser Multikulturalität in der Praxis. Ich glaube, dass dieses Projekt eine positive Rolle auch in den slowakisch-deutschen Beziehungen und in den Beziehungen der Slowakischen Republik gegenüber Ihnen, unseren Landsleuten, spielen wird. Auch solche sehr konkrete Initiativen können nämlich in unserem Zusammenleben eine stimulierende Rolle bei der Überwindung von Traumata und Vorurteilen, die uns die Vergangenheit hinterlassen hatte, spielen.
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich weiß, dass das Thema der Verarbeitung der Geschichte oder der Vollendung der historischen Aussöhnung bei Ihnen sehr lebendig ist - sei es in der Beziehung zu den sogenannten Ostnachbarn, oder aber auch nach innen in die deutsche Gesellschaft.
Das Phänomen der Verarbeitung der Geschichte ist sicherlich nicht eindimensional oder einbahnig. Es verfügt über mehrere Dimensionen, über die wir in der Slowakei vorerst noch relativ wenig nachdenken und wenn wir es tun, dann eher in die Richtung des vierzigjährigen Erbes des Kommunismus.
Vor drei Wochen nahm ich in Brünn an traditionellem Treffen tschechischer, deutscher und österreichischer Intellektuellen, Politiker und Aktivisten teil, die seit mehr als fünfzehn Jahren in Jihlava und in Brünn kritisch die tschechisch-deutschen oder besser gesagt tschechisch-sudetendeutschen Beziehungen reflektieren und permanent den tschechisch-deutschen Dialog pflegen. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit war unter anderem auch die tschechisch-deutsche Deklaration der Versöhnung und schlussendlich auch die Entstehung des Tschechisch-deutschen Fonds der Zukunft. Ich nahm an mehreren solchen Treffen teil und hatte dabei immer ein gutes Gefühl. Auch bei dem letzten, dessen Thema hieß „Was bindet Mitteleuropa zusammen?“.
 
Ich erwähne es deshalb, weil ich gerne solche ähnlichen Symposien auch auf der slowakisch-deutschen Ebene befürworten möchte. Ich nehme an, das Treffen am Montag in Berlin könnte genau so ein Treffen sein.
 
Ich weiß, dass die tschechisch-sudetendeutschen Beziehungen eine andere historische und aktuelle Qualität und Quantität aufweisen, aber sie könnten auch für die slowakisch-karpatendeutschen Beziehungen inspirierend sein. Auch heute noch, wenn manche quasi durch Nebengassen auf den Platz gelangen möchten, auf dem die Geschichte umgeschrieben werden sollte.
 
Internationale Verträge, aber auch völkerrechtliche Gerichte - und es spielt dabei keine Rolle, ob es die von Versailles, Trianon, Jalta, Potsdam, Paris, Nürnberg, aber auch Haag sind - gelten und wirken jedoch auch im einundzwanzigsten Jahrhundert, obwohl manche in ihnen viel Ungerechtigkeit, Unrecht, ja gar Widerrechtlichkeit finden. Weil, ob wir es wollen oder nicht, es oft zwei Perspektiven, ja gar zwei Wahrheiten gibt, weil es Schuldige und Unschuldige, Geopferte und zu Unrecht Gerichtete und Verurteilte gibt. Die widersprüchliche Vergangenheit, die wir mit uns in die Zukunft tragen, ist zumeist vor allem die gegenwärtige, aktuelle und aktualisierte. Vielleicht sollten wir diese Vergangenheit besser kennenlernen und sie weniger manipulieren. Und vielleicht sollten wir sie mehr hinterfragen, damit wir nicht zu schnell urteilen.
 
Meine Damen und Herren,
in diesen Tagen sind scheinbar die letzten Hindernisse der Freizügigkeit der Arbeitskräfte zwischen Deutschland und der Slowakei gefallen. Man könnte sagen: Endlich. Die Barrieren waren nämlich ein bisschen demütigend. Sie erweckten das Gefühl der Minderwertigkeit. Nun sind wir also - definitiv - in der Europäischen Union angelangt, die für eine kurze Zeit für uns auch die „kalte Heimat“ geworden ist, von der in seinem Buch über die abgeschobenen Deutschen nach 1945 der Historiker Andreas Kossert spricht.
 
Wir wollen, genau wie Sie, Bestandteil eines selbstbewussten und stolzen Europas sein.
In seinem östlicheren Teil wollen wir gerade deshalb keine Angst mehr vor unseren nächsten oder entfernteren Nachbarn haben müssen.
Ich bin überzeugt, dass wir alle an solch einer Zukunft aufrichtig interessiert sind.
 
Gestatten Sie mir, Ihnen im Namen der Regierung der Slowakischen Republik für die bisherige Atmosphäre der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verständnisses zu danken und der Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass wir diese gemeinsam noch weiter und höher entwickeln werden.
 
Im Namen der slowakischen Seite dieses sinnvollen Dialogs darf ich vielleicht versprechen, dass wir alles dafür tun werden, damit wir dieses Versprechen bei Ihrem dreiunddreißigsten Treffen für erfüllt erklären können.
 
Verehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie mir gewidmet haben!

3355
© 2010 - Úrad vlády SR
Všetky práva vyhradené
Tvorba stránok Aglo solution s.r.o.
Redakčný systém SysCom